12. November 2009

Stillosigkeit als Gestaltungsprinzip?

Schon lange fällt mir in katholischen, kirchenmusikalischen oder speziellen Orgelforen auf, dass dort die Frage, welcher Art Kirchenmusik sein sollte, für heftige Diskussion und oft genug für Entzweiung sorgt. Mich als Kirchenmusiker in Diensten einer großen deutschen Erzdiözese überrascht das nicht, stellen diese virtuellen Dispute doch nichts weiter dar als die Verlängerung eines Streites, dem man zwar selten offen (dafür dann aber mit überraschender Heftigkeit), aber oft genug unterschwellig in den Pfarrgemeinden begegnet.

Dabei ist zu beobachten, dass die Argumente stets in folgende Richtungen laufen: die einen fordern ausschließlich klassische Kirchenmusik (der Begriff Klassik ist eine Analogiebildung zum Klassizismus in der Architektur, wo diese Bezeichung durchaus zutreffend ist. Doch gibt es Klassik in diesem Sinne eigentlich in der Musik? Was genau ist klassisch in der Musik?), die anderen fordern Offenheit für Alles, wenn nur die Qualität stimmt. Und schon da – am Rande bemerkt – hapert es ja mitunter gewaltig. Die dritte Fraktion hat es bequem: sie muss sich stilistisch gar nicht festlegen (und ist somit auch kaum angreifbar), sondern fordert allgemein Modernität und Zeitgemäßheit.

Immer wieder fällt dann in der Diskussion die Aussage, dass die Kirche ja – Gott sei Dank! – keine Aussage zur Art und Stilistik der Kirchenmusik getroffen habe, und daher ja alles möglich sei. Harald Schützeichel formuliert:
„Im Prinzip kann jede Musik innerhalb des Gottesdienstes verwendet werden, von der Gregorianik bis zum Jazz. Natürlich gibt es Musik, die für den Gottesdienst geeigneter und wenig geeignet ist. Entscheidend ist die Qualität.“¹
Prompt erntet er Widerspruch des renommierten österreichischen Liturgikers Philipp Harnoncourt, übrigens Bruder des bekannten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Ein Widerspruch, in den auch kein Geringerer als Joseph Kardinal Ratzinger einstimmt, wenn er schreibt:
„In der Tat, Musik, die christlicher Liturgie dienen soll, muss dem Logos entsprechen, konkret: Sie muss in einer sinnvollen Zuordnung zu dem Wort stehen, in dem der Logos sich geäußert hat. Sie kann sich, auch als instrumentale Musik, nicht von der inneren Richtung dieses Wortes lösen, das einen unendlichen Raum freigibt, aber auch Unterscheidungslinien zieht. Sie muss ihrem Wesen nach andes sein als Musik, die in rhythmische Ekstase, in die rauschhafte Betäubung, in die sinnliche Erregung [...] hineinführen soll [...].“²
Abgesehen davon, dass ich mich einmal mehr frage, warum Theologen das Wort Christus immer so schwer über die Zunge kommt, stellt sich nun die Frage, wie man diese Aussagen, die zunächst nur eine allgemeine Richtung angeben, präzisieren kann. Auch hier helfen offizielle kirchliche Texte weiter, die im deutschsprachigen Raum gerne und regelmäßig unterschlagen werden:
„Eine Kirchenkomposition ist um so mehr kirchlich und liturgisch, je mehr sie sich in ihrer Anlage, ihrem Geist und ihrer Stimmung dem Gregorianischen Gesang nähert; umgekehrt ist sie umso weniger des Gotteshauses würdig, als sie sich von diesem Vorbilde entfernt. Der altüberlieferte Gregorianische Choral soll daher in reichem Ausmaß bei den gottesdienstlichen Funktionen wieder verwendet werden.

Alle mögen davon überzeugt sein, daß der Gottesdienst nichts an Glanz verliert, auch wenn er nur von dieser Musikart begleitet ist. Namentlich sorge man dafür, daß der Gregorianische Gesang beim Volke wieder eingeführt werde, damit die Gläubigen an der Feier des Gotteslobes und der heiligen Geheimnisse wieder lebendigeren Anteil nehmen, so wie es früher der Fall war.“
Diese Worte sind dem Motu Proprio Tra le sollecitudini des Hl. Papstes Pius X. von 1903 entnommen. Das heute so oft zitierte II. Vatikanische Konzil übernimmt große Teile dieses Dokuments fast wörtlich, und legt fest:
„Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen.“³
Hier ist sicherlich nicht gemeint, dass künftig ausschließlich Gregorianischer Choral gesungen werden soll. Aber zumindest ist auch hier unzweideutig bestätigt, dass für die Kirche der Choral und die kunstvolle Polyphonie ein wesentliches Beurteilungskriterium für die Qualität kirchenmusikalischer Kompositionen darstellt. Dieses bestätigt auch der schon zitierte Joseph Ratzinger erneut, diesmal 2007 bereits als Papst Benedikt XVI. in seinem Apostolischen Schreiben Sacramentum Caritatis:
„Schließlich möchte ich, obwohl ich die verschiedenen Orientierungen und die sehr lobenswerten unterschiedlichen Traditionen berücksichtige, daß entsprechend der Bitte der Synodenväter der gregorianische Choral angemessen zur Geltung gebracht wird, da dies der eigentliche Gesang der römischen Liturgie ist. [...]

Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen.“
Wir sehen, dass die Kirche der musikalischen Entfaltung weiten Raum gibt, jedoch auch klare Grenzen setzt. Oder, um es mit Joseph Marx zu sagen:
„Nicht alles, was tönt, ist Musik.“
Wir könnten ergänzen: "...und nicht alles, was Musik ist, eignet sich als kirchliche Musik im Dienste der Liturgie". Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Priester die Sprache der Kirche wiederentdecken, und ausufernder Selbstdarstellung eitler Schrammelgruppen nicht noch in der Liturgie eine Bühne geben. Das Totschlagargument, es gäbe keinerlei bindende Definition, ist jedenfalls nicht zu halten.

Ich werde dieses Thema in weiteren Beiträgen noch zu vertiefen versuchen.
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¹) Schützeichel: Wohin soll ich mich wenden? Zur Situation der Kirchenmusik im deutschen Sprachraum, in StdZ 209 (1991)
²) Joseph Ratzinger: Theologie der Liturgie. Gesammelte Schriften Bd. 11, S. 561; Herder 2008
³) II. Vaticanum, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium

Gedanken zum Sanctus

Ein Lied nach der Präfation, ein unverzichtbarer Bestandteil des Hochgebets. Dennoch gerne von liturgischer Experimentierwut heimgesucht, durch Beliebigkeit verdrängt, aus Bequemlichkeit gekürzt oder lieblos heruntergebetet. Welche Bedeutung hat dieser Gesang in der Liturgie? Wie sollte man mit ihm umgehen?

Das Sanctus ist eines der ältesten Teile der Messe, und früher Kernbestand des Gesangsrepertoires. In den Handschriften, die uns den Gregorianischen Choral überliefern, finden wir es oft ohne Noten (Neumen) überliefert. Ein Zeichen für gute Überlieferung und weite Verbreitung. Es ist ein zweigeteilter Text, dessen Ursprüngen in Jesaja, einem Psalmvers und im Matthäusevangelium liegen. Wenn die Kirche im Hochgebet der Messe das Sanctus anstimmt, kommt sie damit dem Auftrag der Kirchenmusik in Vollkommenheit nach:
"Sie [die Kirchenmusik - Anm.] muss in einer sinnvollen Zuordnung zu dem Wort stehen, in dem der Logos sich geäußert hat."¹
Singen wir das Sanctus, z. B. aus einer Choralmesse, erleben wir die perfekte Harmonie zwischen dem Wort Gottes und der Musik, zwischen dem Gesang der irdischen und der himmlischen Kirche, ein Moment zeitloser Schönheit.


Das Liturgische Institut der Deutschsprachigen Schweiz formuliert so:
"Bereits in den ersten Jahrhunderten wurde dieser Ruf in den Liturgien des Ostens (4. Jh.) und Westens (5. Jh.) ein Teil des Hochgebets: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit.“ Der Saum seines Gewandes füllte in der Vision des Jesaja den Tempel aus: Gottes Gegenwart ist so überschwenglich, dass der Tempel zu klein erscheint, um davon ganz ausgefüllt zu werden. Seine Gegenwart reicht in ganz andere als rein menschliche Daseinsbereiche. Im Singen übersteigt der Mensch sich selbst. So kann er im Sanctus in den gewaltigen Gesang der Engel einstimmen, die einander unablässig die Heiligkeit Gottes zurufen, so dass die Türschwellen des Tempels erzittern. Unser Gesang erreicht den hier und jetzt auch in der Feier der Liturgie gegenwärtigen Gott. [...]

Wenn die betende Kirche singt: „hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“, dann drückt sie damit aus, dass sie sehnsüchtig die Wiederkunft Christi erwartet. Die zum Gebet Versammelten wissen aber, dass Christus ihnen auch in der Eucharistiefeier in der Gestalt des Brotes und des Weines, in seinem Leib und Blut, geschenkt wird. Er kommt hinein in das „Jetzt“ und verbindet Himmel und Erde bis er wiederkommt „im Namen des Herrn“."²

Wie vielen unserer Gottesdienstbesucher ist dieses eigentlich bewusst? Wäre nicht alleine das Sanctus eine eigene Katechese, eine ausführliche Predigt wert? Zum Beispiel am Palmsonntag, wo das Gebet zur Segnung der Palmzweige nach dem Gesang des "Hosanna Filio David" hervorragend mit dieser Aussage korrespondiert:
Allmächtiger, ewiger Gott, segne diese Zweige, die Zeichen des Lebens und des Sieges, mit denen wir Christus, unserem König, huldigen. Mit Lobgesängen begleiten wir ihn in seine heilige Stadt; gib, dass wir durch ihn zum himmlischen Jerusalem gelangen, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Vor allem ist aber zu hinterfragen, ob das leichtfertige Ersetzen des Sanctustextes - der übrigens klar und wörtlich festgelegt ist, und nicht etwa sinngemäß, wie gelegentlich entschuldigend behauptet - der Wichtigkeit und Einzigartigkeit des liturgischen Moments und der Einheit des Hochgebetes, dessen unverzichtbarer Bestandteil dieser Gesang ist, nicht äußerst abträglich ist.

Nach den Punkten, die grob skizzieren sollten welche Tiefe und Bedeutung dieser Gesang hat, sollten wir einen Blick in die kirchlichen Dokumente werfen. Im Schreiben Redemptionis Sacramentum³ finden wir folgende Aussage:
"Das Volk nimmt dennoch immer aktiv und nie rein passiv teil: Es soll sich mit dem Priester vereinen «im Glauben und in Stille wie auch durch die im Laufe des eucharistischen Hochgebetes festgesetzten Einschübe, das sind die Antworten im Eröffnungsdialog der Präfation, das Sanctus, die Akklamation nach der Wandlung und die Akklamation des Amen nach der Schlußdoxologie sowie andere von der Bischofskonferenz approbierte und vom Heiligen Stuhl rekognoszierte Akklamationen»."
Doch wie lautet nun der offzielle Text? In lateinischer und deutscher Sprache ist diese Version maßgeblich und auch so in den Meßbüchern veröffentlicht:
Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth. Pleni sunt coeli et terra gloria tua. Hosanna in excelsis. Benedictus qui venit in nomine Domini. Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.
Doch grau ist alle Theorie, wie schon Goethe im Ersten Teil des "Faust" den Mephistopheles feststellen ließ. Und da sind wir beim richtigen Thema: Der Teufel steckt im Detail, hier im Respekt vor der "unvordenklichen" Tradition des deutschsprachigen Liedes in unseren Landen, der sich leider auch auf manche schwächere Lieder und das Neue Geistliche Lied erstreckt, welches uns mit teils fragwürdigen Paraphrasen erfreut. Vom Mißbrauch, irgendein Lied, indem einmal das Wort "heilig" auftaucht, anstelle des Sanctus zu singen, ganz zu schweigen.

Ein Sanctus-Ersatz ist nach Maßgabe der Bischofskonferenz nicht zwangsläufig verboten. Es handelt sich schlicht um eine Grauzone. In solchen Fällen sei immer Folgendes geraten: wir werfen einen Blick ins Missale, und nehmen den dort veröffentlichten und approbierten Text als Maßstab (siehe oben). Schon wegen der fast wörtlichen Zitation des Wortes Gottes sollte man davon absehen, allzu leichtfertig Hand an das Ordinarium zu legen, und damit auch an das Sanctus. Mit einer guten Katechese über den Hintergrund dieses wunderbaren Gesanges wird auch dem Letzten klar, dass die vierte (im Gotteslob: dritte) Strophe des "Adeste Fideles" nicht als Sanctus geeignet ist - und übrigens auch nicht das entsprechende Lied aus der Schubert-Messe. Diese Lieder haben ihren Platz in den Außerordentlichen Form des Römischen Ritus, wo die Gültigkeit der Liturgie durch das Gebet des Zelebranten in jedem Fall sichergestellt ist.

In der Ordentlichen Form aber, wo die Gemeinde an dieser Stelle zum Liturgieträger wird, sollte man das Original der Paraphrase in jedem Falle vorziehen. Leider wird der recht sorglose Umgang mit den Ordinariumstexten durch das für das Jahr 2013 projektierte Erscheinen des neuen "Gotteslob" nicht behoben. Authentizität ist aber im Gottesdienst immer das höchste Gebot! Je mehr Ehrfurcht wir vor dem Erbe der Tradition spüren, je ernster wir die Rubriken nehmen, desto weniger wird es möglich sein, dass sich liturgische Mißbräuche am falschen Ort einschleichen.

Deshalb sollten wir das Sanctus schätzen, seinen Text meditieren und es gerne und regelmäßig "mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten und mit all den Scharen des himmlischen Heeres" zum Hochgesang Seiner göttlichen Herrlichkeit singen.
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¹) Joseph Ratzinger: Im Angesicht der Engel - Von der Musik im Gottesdienst, Herder 2008, S. 131
²) Liturgisches Institut in der Deutschsprachigen Schweiz: Link Sanctus
³) Redemptionis Sacramentum, Kap. III Abs. 54, hier

Darf der Chor das Sanctus singen?

Ich möchte meine Gedanken zum Sanctus vom letzten Monat noch ein wenig weiterspinnen und einen anderen Aspekt einbringen. Eine Schwierigkeit, mit der viele Chorleiter konfrontiert sind, ist die Ablehnung gesungener Messkompositionen durch den Zelebranten. Es sei eindeutig verboten, dem Volk das Sanctus gleichsam zu entreißen, und mitten im Hochgebet eine konzertante Einlage zu bieten. Dieser Meinung ungeachtet trifft man gleich in der Nachbarkirche auf einen Pfarrer, der gesungene Messen schätzt, und die Kirchenmusik entsprechend fördert.

Ich werde nun meine Ansichten zu diesem Thema darlegen. Leider ist es notwendig, dafür etwas weiter auszuholen, und zunächst das Problem mehrstimmiger Kirchenmusik an sich darzulegen.

Dieses heikle Thema wird auch von einem der unsäglichsten Machwerke einer Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz aufgegriffen, der ich noch einen eigenen Beitrag widmen werde, nämlich der Arbeitshilfe 194 "Musik im Kirchenraum außerhalb der Liturgie" (Ich darf aber bereits hier auf einen sehr guten Kommentar von Dr. Michael Tunger hinweisen: LINK zum PDF-Dokument). In dieser "Arbeitshilfe" liest man auf Seite 9f. folgendes:
"Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wollte die tätige Teilnahme der ganzen Gemeinde fördern, verlangte deshalb den rollengerechten Vollzug der liturgischen Feier und ermöglichte die Liturgie in den Volkssprachen. Die liturgische Praxis traditioneller mehrstimmiger Kirchenmusik scheint aber genau dies in Frage zu stellen: Der zuhörenden Gemeinde ist eine ganzheitlich-aktive Teilnahme nicht möglich; gegebenenfalls ist die liturgische Rollenverteilung nicht mehr ausgewogen. Zudem ist der Großteil der Gemeinde der lateinischen Sprache unkundig.

Wird die Liturgie von mehrstimmiger Kirchenmusik dominiert, besteht generell die Gefahr, dass professionelle Musiker, aber auch Amateure und Laienensembles den Gesang exklusiv an sich ziehen. Deswegen empfiehlt die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: „Wenn die Kirchenmusik innerhalb eines Gottesdienstes aufgeführt wird, soll sie sich an dessen Eigenart anpassen. Dies verpflichtet nicht selten dazu, den Gebrauch von Werken einzuschränken, die aus einer Zeit stammen, in der die tätige Teilnahme der Gläubigen noch nicht als eine Quelle wahrhaft christlichen Geistes angesehen wurde.“ (Erklärung über „Konzerte in Kirchen“, Nr. 6; vgl. ähnlich bereits Nr. 53 der Instruktion über die Musik in der Heiligen Liturgie „Musicam sacram“ von 1967).

„Einschränkung“ traditioneller mehrstimmiger Kirchenmusik innerhalb der Liturgie darf freilich nicht mit deren völliger Verbannung verwechselt werden. Hier ist von Fall zu Fall ein sorgfältiges Abwägen vonnöten. Fest steht: Da solche Werke nicht selten kulturelle Schätze von hohem Rang sind, dürfen sie nicht in Vergessenheit geraten. Sollten sie innerhalb der Liturgie keine passende Verortung mehr finden, bieten sich außerhalb des Gottesdienstes viele ansprechende Möglichkeiten."
Bereits dieser knappe Auszug aus dem Dokument schreit nach einer ganzen Reihe von Anmerkungen. Ich werde sie jetzt nicht systematisch darstellen, sondern quasi nach dem Brainstorming-Prinzip kurz anreißen:
  1. Das Prinzip der tätigen Teilnahme (participatio actuosa) ist keine Forderung des II. Vaticanums, sondern wurde bereits vom heiligen Papst Pius X. eingefordert. Und zwar im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des Gregorianischen Chorals (d. h. der Restitution des Chorals anhand der alten Handschriften im Gegensatz zur damals gültigen Editio Medicaea; ich werde mich diesem Thema auch noch einmal mit eigenen Beiträgen widmen) und dessen Ausbreitung und Förderung.

  2. Der folgende Satz ist reine Suggestion: Traditionelle Kirchenmusik stellt die tätige Teilnahme in Frage. So ist es doch? Nicht wahr??? Hier schreit der Modernismus einmal mehr nach Selbstbestätigung. Bis zur nachkonziliaren Verwüstung der Kirchenmusik, die zugegeben ihre Wurzeln bereits in gewissen Tendenzen der Liturgischen Bewegung hatte, störte sich an diesem Punkt offensichtlich kein Mensch. Und noch heute sieht man Leute mit Tränen in den Augen die Kirche verlassen, wenn eine große Orchestermesse die Liturgie aufblühen ließ. Wir finden hier die für die nachkonziliaren Reformen typische Verkürzung des Tätigkeitsbegriffes auf handgreifliches Tun. Man muss entweder singen, oder stehen oder knien oder einen Kreis um den Altar bilden, damit Liturgie er-leb-bar wird. Was für ein Unsinn! Auch beten, hören, schweigen, meditieren, staunen, freuen sind Tätigkeiten. Und sie sind für die Liturgie oft wesentlicher, als jeder äußere Aktionismus. Nicht umsonst hat die Kirche das Eremitentum und daraus erwachsend den Mönchsstand seit urchristlicher Zeit eine so hohe Wertschätzung entgegengebracht.

  3. Es folgt das, was einfach folgen musste. Das nachkonziliare Standardargument: Es versteht doch kein Mensch Latein! Natürlich. Stimmt doch vollkommen, oder? Der Spruch ist so schön, dass ich mir schon überlegt habe, ihn mit der Kalligraphiefeder zu zeichnen und im Goldrahmen zu verkaufen. Es müsste dafür einen riesigen Markt geben. Doch stimmt dieses Argument eigentlich?
    Natürlich nicht! Gerade beim Ordinarium ist das Lateinargument kein Ausdruck echter pastoraler Sorge, sondern ein auf den Arugmentierenden selbst zurückfallendes Armutszeugnis. Der Text des Ordinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei) steht fest. Wortwörtlich und seit Jahrhunderten. Wer den Text in deutscher Sprache einmal bewusst gelesen und mehrere Male zum Beispiel zu Hause gebetet hat, wird seinen Inhalt nicht mehr vergessen, und auch den lateinischen Text problemlos nachvollziehen können. Es ist ja nachgerade absurd, dass man kein Latein mehr singen soll - aber dafür Taizégesänge auf Englisch, Französisch, Russisch, Hebräisch, Spanisch und: Latein!(?) einführt. Auch zu diesem Thema wird noch mehr zu sagen sein.

  4. Der Rest des oben zitieren Textes ist von einer Unverschämtheit und Verlogenheit, die man eigentlich gar nicht mehr kommentieren müsste. Traditionelle, mehrstimmige Kirchenmusik wird hier unter den Generalverdacht des Aliturgischem. Dabei verlangt gerade der würdig gefeierte Gottesdienst nicht nur ein hohes Maß an Zelebrationskultur, sondern auch an musikalischer Vorbereitung. Es ist unglaublich, dass man dem Mittelmaß, dem Dilletantismus und dem Experimentalismus im negativen Sinne des Wortes hier Tür und Tor öffnet und das Bemühen um hervorragende Liturgie pauschal kriminalisiert. Daher sind diese Aussagen ein klarer Widerspruch zur traditionellen Auffassung von Kirchenmusik. Pius X. schreibt in seinem Motu Proprio "Tra le sollecitudini", nachdem er sich ausführlich den Vorzügen des Gregorianischen Chorals gewidmet hat:
    "Die oben erwähnten Eigenschaften besitzt in hohem Grade auch die sogenannte klassische Polyphonie, besonders die der römischen Schule, die im 16.Jahrhundert durch Pierluigi Palestrina zu ihrer höchsten Vollendung geführt wurde und auch später noch Werke von hervorragendem liturgischem und musikalischem Wert hervorgebracht hat. Die klassische Polyphonie berührt sich nahe mit dem Gregorianischen Choral, diesem einzigartigen Vorbilde aller Kirchenmusik. Deshalb wurde sie für würdig befunden, zusammen mit dem Gregorianischen Choral bei den höchsten kirchlichen Feierlichkeiten, wie es die päpstlichen Gottesdienste sind, zur Verwendung zu gelangen. Daher soll auch sie in weitem Umfange beim Gottesdienst wieder eingeführt werden, besonders in den hervorragenden Basiliken, in den Kathedralen, in Seminarien und anderen kirchlichen Instituten, wo es an erforderlichen Kräften und Mitteln nicht mangelt."
    Auch die Instruktion über die Musik in der heiligen Liturgie, "Musicam Sacram", veröffentlicht von der römischen Ritenkongregation im Jahr 1967, hebt die qualitative Bedeutung der Kirchenmusik hervor:
    4. a) Darum kann nur jene Musik Musica sacra genannt werden, die für die Feier des göttlichen Kultes geschaffen und durch die Heiligkeit und Güte ihrer Formen ausgewiesen ist.

    b) Unter dem Begriff Musica sacra kommen hier in Betracht: Der Gregorianische Choral, die alte und neue Polyphonie in ihren verschiedenen Gattungen, Musica sacra, die für die Orgel und für andere erlaubte Instrumente geschaffen wurde, und der kirchliche Volksgesang, der liturgische wie der religiöse.
    Die Konzilskonsitution "Sacrosanctum Concilium" formuliert im 6. Kapitel:
    112. Die überlieferte Musik der Gesamtkirche stellt einen Reichtum von unschätzbarem Wert dar, ausgezeichnet unter allen übrigen künstlerischen Ausdrucksformen vor allem deshalb, weil sie als der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht. In der Tat haben sowohl die Heilige Schrift wie die heiligen Väter den gottesdienstlichen Gesängen hohes Lob gespendet; desgleichen die römischen Päpste, die in der neueren Zeit im Gefolge des heiligen Pius X. die dienende Aufgabe der Kirchenmusik im Gottesdienst mit größerer Eindringlichkeit herausgestellt haben. So wird denn die Kirchenmusik um so heiliger sein, je enger sie mit der liturgischen Handlung verbunden ist, sei es, daß sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert, sei es, daß sie die heiligen Riten mit größerer Feierlichkeit umgibt.

    Problematisch sind die diversen "Hintertüren" im gleichen Dokument, gut gemeinte Ausnahmeregelungen, die dem Mißbrauch und der Mißdeutung Einlaß gewähren und die für viele Konzilsdokument leider typisch sind. Als Beispiel sei nur der folgende Absatz zitiert:
    116. Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen. Andere Arten der Kirchenmusik, besonders die Mehrstimmigkeit, werden für die Feier der Liturgie keineswegs ausgeschlossen, wenn sie dem Geist der Liturgie im Sinne von Art. 30 entsprechen.
Wir sehen also, dass die Mehrstimmigkeit (d. h. die Polyphonie) in der nachkonziliaren Liturgie keinesfalls ausgeschlossen ist, sondern noch immer gemeinsam mit der Gregorianik gewissermaßen als Richtschnur zur qualitativen Einordnung liturgischer Musik gilt.

Wie ist es aber nun mit dem Sanctus, dass angeblich vom Volk gesungen werden muss, und daher ein beliebter Hebel ist, um traditionelle Messkompositionen aus der Liturgie in den Konzertbetrieb zu verbannen? In der Allgemeinen Einführung in das Meßbuch (AEM) heißt es:
"55. b) Sanctus-Ruf: Die gesamte Gemeinde vereint sich mit den himmlischen Mächten und singt oder spricht das Sanctus. Dieser Ruf ist Teil des eucharistischen Hochgebetes und wird von allen gemeinsam mit dem Priester vorgetragen."¹
In der - abgesehen von den Messen in der Ordentlichen Form in lateinischer Sprache - noch nicht rechtskräftigen "Grundordnung des Römischen Messbuchs" (GRM 2002) heißt es fast gleichlautend:
"79. b) Die Akklamation: Darin vereint sich die ganze Versammlung mit den himmlischen Mächten und singt das Sanctus. Diese Akklamation, die Teil des Eucharistischen Hochgebetes selbst ist, wird vom ganzen Volk zusammen mit dem Priester vorgetragen."
Im weiteren Verlauf des Dokuments wird diese Regelung noch mehrfach aufgegriffen:
"147. [...] Das Eucharistische Hochgebet verlangt von seinem Wesen her, dass es allein der Priester kraft seiner Weihe vorträgt. Das Volk aber vereinigt sich mit dem Priester im Glauben mit Schweigen sowie durch die Akklamationen, die im Laufe des Eucharistischen Hochgebetes festgelegt sind, nämlich die Antworten beim Dialog der Präfation, das Sanctus, [...]"
"216. Die Präfation wird vom Hauptzelebranten allein gesungen oder gesprochen, das Sanctus jedoch wird von allen Konzelebranten zusammen mit dem Volk und der Schola gesungen oder gesprochen."
Offenkundig ist die Sachlage also vollkommen klar: mehrstimmige Messkompositionen dürfen in der Messe erklingen. Allerdings nicht das Sanctus, da dieses der ganze Gemeinde zu singen aufgegeben ist. Interessanterweise ist diese Meinung nach dem Konzil bis in unsere Tage hinein die vorherrschende geworden, obwohl sie weder mit der Tradition vereinbar ist, noch irgendwie begründet wird oder sich logisch erschließt.

Joseph Kardinal Ratzinger sprach in einem Vortrag 1994 anlässlich der Verabschiedung seines Bruders Georg als Regensburger Domkapellmeister über die "Regensburger Tradition und die Liturgiereform". Er greift zunächst ein Zitat von Joseph Lengeling auf, dass sich übrigens nahtlos in eine gewisse akirchenmusikalische Strömung einfügt, die auch Rahner und Vorgrimler in ihrem teilweise bedenklichen, heute aber immer noch weit verbreitetem Konzilskompendium vertreten:
"Mein ehemaliger Münsteraner Kollege und Freund Emil Joseph Lengeling hat gesagt, wenn man das Sanctus als authentischen Part der Gottesdienst feiernden Gemeinde versteht, 'so ergeben sich daraus nicht nur zwingende Folgerungen für neue Vertonungen, sondern auch Exklusiven für die meisten gregorianischen und für alle polyphonen Vertonungen, da sie das Volk vom Gesang ausschließen und den Rufcharakter nicht beachten.'

Bei allem Respekt vor dem großen Liturgiker zeigt dieses Wort, dass auch Experten kräftig danebengreifen können. Misstrauen ist zunächst immer da angebracht, wo ein Großteil der lebendigen Geschichte auf den Müllhaufen abgetaner Missverständnisse geworfen werden muss. Das gilt umso mehr für die christliche Liturgie, die von der Kontinuität und der inneren Einheit der Geschichte des gläubigen Betens lebt."²
Im weiteren Verlauf des sehr klar formulierten und äußerst lesenswerten Artikel widerlegt Ratzinger die Aussagen Lengelings fundiert. Er postuliert sogar einen komplett anderen Ansatz, nachdem es der versammelten Gemeinde "gut tun" würde, vor dem Aufbruch in die Mitte des Mysteriums eine Weile im erfüllten Schweigen zu verharren. Ein Schweigen in Fülle, wohlgemerkt, kein schweigendes Abwarten. Gerade dieses Schweigen ist geeignet, die Gemeinde ganz und wirklich zu vereinen. Ratzinger formuliert weiter:
"Müssen wir nicht gerade dieses schweigende innere Mitbeten miteinander und mit den Engeln und Heiligen, den Lebenden und den Verstorbenen, mit Christus selbst wieder erlernen, damit die Kanonworte nicht zu verbrauchten Formeln werden, die wir dann vergeblich durch immer neue Wortmontagen abzulösen versuchen, in denne wie nur die Abswesenheit ds eigentlichen inneren Ereignisses der Liturgie, des Aufbruchs aus Menschenrede in die Berührung durch den Ewigen hinein zu verdecken suchen?"
Fazit: Es ist immer empfehlenswert, dass die ganze Gemeinde gemeinsam das Ordinarium, und damit auch das Sanctus singt. Für die Außerordentliche Form des Römischen Ritus (Missa Tridentina) ist die Sachlage etwas anders und ohnehin klar. Was die nachkonziliare Liturgiereform angeht, kann leider keine eindeutige Aussage gegeben werden, da die einschlägigen Dokumente zu diffus und einander widersprechend sind. In keinem Fall jedoch kann man von einem pauschalen Verbot mehrstimmiger Kirchenmusik zum Sanctus ausgehen, wie ich anhand der Konzilsdokumente und ihrem Vorläufer - so muss Pius X. mit "Tra le sollecitudini" wohl eindeutig bezeichnet werden - nachgewiesen habe. Dies bedingt sich auch durch die Tatsache, dass der Römische Ritus seit Benedikt XVI. zwei verschiedene Formen kennt, die sich an einem so entscheidenden Punkt nicht diametral widersprechen können. Es sei denn, man wollte eine "Hermeneutik des Bruches" postulieren.

Wenn der Kirchenchor also beim nächsten Mal wieder eine Messe singt und auch das Sanctus übernimmt, ist das gut katholische Tradition, die wir nach Herzenslust und ohne Gewissensbisse genießen und innerlich feiern dürfen:


Wer wollte ernsthaft behaupten, dass ein solch wunderbares Stück klassischer Vokalpolyphonie die Seelen nicht zum Lobgesang mit den Engeln und himmlischen Heerscharen erheben könnte?

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¹) Allgemeine Einführung ins Meßbuch (AEM),
ONLINE, sowie: Grundordnung des Römischen Meßbuchs, Editio typica tertia 2002 (Vorabpublikation), ONLINE
²) Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften Bd. 11, S. 564

Alle Dokumente des II. Vaticanums sind auf der Homepage des Heiligen Stuhles einsehbar:
LINK

Zeitgeist gegen Kirchenmusik - Ein Beispiel

Am 26. September hielt Professor Markus Eham einen Festvortrag zur Eröffnung der "Tage neuer Kirchenmusik" der bayerischen (Erz-)Diözesen, die HIER und HIER bereits in diesem Blog thematisiert wurden. Von einem aufmerksamen Mitleser wurde ich auf diese Rede hingewiesen, und habe den Text heruntergeladen und gründlich gelesen: PDF-DOKUMENT.

Insgesamt ist dieser Text hochinteressant und enthält zahlreiche Teilaspekte, die eine jeweils eigene Betrachtung lohnen würden. Leider ist meine Zeit aber zu begrenzt, um das zu leisten. So möchte ich nur einige bemerkenswerte Punkte aus diesem Festvortrag herausgreifen und kommentieren.

Bereits auf der ersten Seite fährt Professor Eham beifallheischend schwere Geschütze auf:
Die liturgischen Töne, die 2007 von Rom her vernehmbar wurden, klingen ja nicht gerade nach Zukunftsmusik, sondern mehr nach außerordentlichen Kadenzschritten über das 19. Jahrhundert zurück in das 16. Jahrhundert. Kirchenmusikalisch wurde dieser rituelle flashback allerdings nicht eigens durchbuchstabiert; das Motu proprio Summorum Pontificum und der päpstliche Begleitbrief enthalten keine Silbe über die musikalische Gestalt des außerordentlichen Meßritus - eigentlich entlarvend konsequent, da Gesang und Musik in der vorkonziliaren Sicht eben gar nicht wesentlich zur Liturgie gehören.
Professor Markus Eham, der an der Universität Eichstätt unter anderem Liturgik unterrichtet, zeigt sich hier von einer befremdlich eingeschränkten Sichtweise, ja sogar von einer längst überwundenen "Los-von-Rom"-Einstellung, die sogar Fragen nach seiner Eignung als Universitätsprofessor für dieses Fach an einer katholischen(!) Universität aufkommen lassen könnten. Zunächst ist die reine Polemik gegenüber der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus (Missa Tridentina) heute wohl nicht mehr angemessen. Papst Johannes Paul II. stellte 1986 einer Kommission von neun Kardinälen folgende zwei Fragen:
  • Hat Papst Paul VI. oder irgendeine andere maßgebende Autorität auf legale Weise die weitläufige Zelebration der Tridentinischen Messe in der Gegenwart verboten?
Die Antwort, die von den neun Kardinälen gegeben wurde, war: »Nein, die Messe des hl. Pius V. ist niemals verboten worden«.
  • Kann irgendein Bischof irgendeinem Priester guten Gewissens die Zelebration des Tridentinischen Ritus verbieten?
Die neun Kardinäle stimmten darüber ein, dass kein Bischof einem katholischen Priester verbieten kann, die Tridentinische Messe zu lesen.
Der im Dezember 2007 verstorbene Kardinal Stickler, der Mitglied dieser Kommission war, berichtet des weiteren, dass acht Kardinäle dafür und nur einer dagegen war, es durch ein päpstliches Dekret öffentlich zu machen, dass jeder Priester frei zwischen dem neuen und dem alten Ritus wählen könne. Zu der neunköpfigen Kommission gehörten Joseph Kardinal Ratzinger, Paul Augustin Kardinal Mayer, Silvio Kardinal Oddi, Alfons Maria Kardinal Stickler, Agostino Kardinal Casaroli, Bernardin Kardinal Gantin, Antonio Kardinal Innocenti, Pietro Kardinal Palazzini und Jozef Kardinal Tomko.¹

Seit dem Motu Proprio Summorum Pontificum ist die Tridentinische Messe nun die Außerordentliche Form des Römischen Ritus, und als solcher für alle Priester (mit nur geringen Einschränkungen) freigegeben. Ehams Polemik unterschlägt, dass das Schreiben Benedikts XVI. von 2007 lediglich eine Reaktion auf das Verhalten der Bischöfe darstellt, die das Schreiben "Quattuor abhinc annos" aus dem Pontifikat Johannes Pauls II. vollkommen ignorierten (vgl. Bericht von Thomas Kovács HIER).

Man fragt sich, welches Liturgieverständnis der Professor wohl seinen Studenten vermittelt - und wie er es verantworten kann, "Multiplikatoren" mit einem derart eingeschränkten Verständis womöglich in den kirchlichen Dienst zu entlassen. Der "flashback" in das 16. Jahrhundert, den er hier wittert, ist propagandistischer Schnee von gestern. Die "Alte Messe" ist längst wieder eine Messform von heute geworden.

Die kritische Anmerkung, dass das Verhältnis zwischen Kirchenmusik in der Ordentlichen und der Außerordentlichen Form nicht geklärt ist (ich habe das gestern in DIESEM ARTIKEL angerissen), trifft allerdings vollkommen zu. Es kann nicht sein, dass ein und dieselbe Komposition in beiden Formen des einen Ritus unterschiedlich bewertet wird. Neben der vollkommen ungeklärten Frage nach dem Kalendarium halte ich das für eines der drängendsten Probleme, die nach Ablauf der in Summorum Pontificum gesetzten Dreijahresfrist anzusprechen und zu diskutieren wären.

In einem weiteren Absatz schreibt Eham hingegen sehr schön über die Rolle der Kirchenmusik nach dem II. Vaticanum:
"[Die Liturgiekonstitution hat] im Art. 121 den Kirchenmusikern einen zweifachen Auftrag ins Stammbuch der liturgischen Erneuerung geschrieben: Sie sollen den Schatz der kirchenmusikalischen Überlieferung bewahren und das Repertoire durch Kompositionen nach den Erfordernissen für die erneuerte Liturgie weiterschreiben. Die Kirche will also auch musikalisch Zeitgenossenschaft; erfährt sie sich doch, wie es in der Pastoralkonstitution heißt 'mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden.' Der Glaube wurzelt zwar in einem Ereignis von damals, aber er ist nicht von gestern."
Dem ist prinzipiell zuzustimmen. Zu klären wäre freilich die Frage, was denn genau unter "Zeitgenossenschaft" zu verstehen ist: Jazz? Messiaen? ACDC? Hertel und Mross? Philip Glass? John Rutter? Bemerkenswert ist Hermeneutik des Bruches nach dem Konzil, die Eham hier im Nebensatz zum ersten Mal postuliert. Die nebulösen "Erfordernisse für die erneuerte Liturgie" werden hier ins Spiel gebracht. Ein gerne benutztes Schlagwort. Doch worin genau unterscheidet sich ein Lied zur Gabenbereitung vor dem Konzil von einem Lied zur Gabenbereitung nach dem Konzil? Worin besteht der Unterschied eines vorkonziliaren zum nachkonziliaren Agnus Dei?

Der folgende Absatz ist mit "Intermezzo: Den Glauben zum Klingen bringen" überschrieben. Hier stellt der Professor zunächst in groben Zügen die Position der Kirche als herausragender Kulturträger, ja sogar Kulturpionier früherer Zeiten heraus. Widersprechen muss ich ihm an zwei Punkten. Er schreibt:
  1. Die Ausführenden der Musik im Gottesdienst waren größtenteils Profis, nicht musikalische Laien.
  2. Und die Rolle, die der Musik in der Liturgie zukam, änderte sich: Es ging immer weniger darum, in der Vertonung des biblischen Wortes der gemeinsamen Feier der Liturgie selbst klanglichen Ausdruck zu geben, sondern einen zur persönlichen Anbetung stimmenden, repräsentativen Klangraum zu schaffen für die heilige Handlung, die vom hauptamtlichen liturgischen Personal zu vollziehen war.
An beiden Punkten irrt Eham: nie zuvor stand die Ausbildung der Kirchenmusiker auf einem höheren Stand, als im akademischen Lehrbetrieb unserer Tage - zumindest im deutschen und angloamerikanischen Sprachraum. Als Gesangssolisten oder Instrumentalmusiker können zumindest Kantoren größerer Städte auf hervorragende Kräfte zurückgreifen: engagierte Laien, Musikschulen, Musikstudenten, Profimusiker aller Couleur. Dieses Argument kann also kaum tragen, um den Wandel der Kirchenmusik nach dem Konzil zu erklären. Der zweite Punkt propagiert erneut die von mir schon in anderen Beiträgen hier beklagte Verkürzung des Tätigkeitsbegriffes auf das physische Handeln. Darauf brauche ich wohl nicht näher einzugehen.

Im nächsten Absatz, überschrieben mit "Orientierung an der Vergangenheit" greift die Polemik wieder heftig um sich. Ich zitiere:
"In der Sorge, das Eigene zu bewahren, begriff die Kirche sich und ihre Liturgie dann immer mehr als Sonder- und Gegenwelt zur jeweiligen Gegenwart. Für die "Heiligkeit der liturgischen Handlung" wurde ein dementsprechender "sakraler" Ausdruck gefordert; von der cäcilianischen Bewegung geprägt, wird dieser dann als bestimmendes Stilideal zur Norm erhoben, für das die Gregorianik und die Vokalpolyphonie Marke Palestrina Pate stehen.

[...]

Dieser Versuch einer musikalischen Identitätsfindung hat sicher die später diskutierte Frage vorbereitet: Gibt es denn eigentlich die "Musik der Kirche" als stilistisch bestimmbares Repertoire, oder müssten wir nicht richtiger von "Musik für den Gottesdienst der Kirche" sprechen, die der jeweiligen Zeit und Kultur entspricht?"
Hier wird nicht klar, wann "später" ist, oder wer überhaupt wann mit wem diskutiert haben soll. Da Professor Eham kein Zitat kennzeichnet, nehme ich an, er stellt diese rhetorische Frage dem anwesenden Festpublikum. Hier greift er allerdings erneut zu kurz: keineswegs hat sich die Kirche durch eine Bunkermentalität das "Eigene" bewahren wollen, sondern die intellektuellen Strömungen "der Gegenwart" wendeten sich bewusst und eindeutig von der Kirche ab oder gar gegen sie. Inwiefern der Cäcilianismus römische Lehraussagen zum Thema Kirchenmusik beeinflusste, sei dahingestellt. Giuseppe Kardinal Sarto, der spätere Papst Pius X., hat nicht erstmals 1903 in Tra le sollecitudini konkrete Aussagen zur Kirchenmusik getroffen, sondern schon deutlich früher als Patriarch von Venedig in Hirtenbriefen auf die Abstellung von Mißständen, wie das Eindringen weltlicher Opernmusik in den Gottesdienst, gedrängt. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts betont Eham dann erneut die Notwendigkeit zur Schaffung moderner Kirchenmusik, bevor er zu folgender Aussage kommt:
"Die theologische und rechtliche Grundlage dieser Öffnung zur kirchenmusikalischen Zeitgenossenschaft lässt sich in wenigen Leitsätzen zusammenfassen: Es wird 'keine Art qualitätvoller religiöser Musik von den liturgischen Feiern' ausgeschlossen, die geeignet ist, 'das Gebet zu fördern und das Christusgeheimnis auszudrücken:' Träger der Liturgie ist 'die ganze Gemeinde, der mit Christus, dem Haupt, vereinte Leib.' Das verlangt nach Musik, die die tätige, volle, bewusste Teilnahme aller im Singen oder hörenden Mitvollziehen ermöglicht."
Auch diese Aussage, die auf der "Dritten Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konsitution über die heilige Liturgie" fußt, ist im Prinzip vollkommen richtig. Interessant ist der Hinweis auf das Kirchenrecht, dass hier allerdings erneut nur selektiv wahrgenommen wird. Eham unterschlägt schlicht und ergreifend die klaren Aussagen der Kirche (HIER von mir thematisiert) über den Wert der Gregorianik und der Vokalpolyphonie als Qualitätskriterium für die perfekte Verbindung von Wort und Klang, Zeit und Raum in der Liturgie, die er oben noch als liturgischen Rückschritt ins 16. Jahrhundert ("Marke Palestrina") abqualifiziert. Ferner liegt auch diesen Aussagen wieder die Verkürzung des Begriffs der participatio actuosa vor. Ein Begriff, der von Pius X. eben im Zusammenhang mit der Erneuerung der Gregrianik und der ausdrücklichen Förderung der Polyphonie geprägt wurde.

Lesenswert ist der vierte Absatz, "Zunehmend getrennte Klangwelten", der auch in den folgenden Abschnitten weiter ausgeführt wird. Ich kann aus Zeitgründen leider nicht auf manches Positive oder zu Hinterfragende eingehen. Eine Aussage von Seite 9 des Vortrages möchte ich noch zitieren:
"Ich sehe zwei Gefahren in unserer gottesdienstlichen Landschaft: Die Abstumpfung durch Routine und die Neigung zu ästhetischer Mumifizierung der Liturgie. Ich vermute, beide Schlagseiten hängen zusammen mit einer grassierenden Jesusvergessenheit in Kirche und Theologie zugunsten der herrschenden Christusverliebtheit. Moderne geistliche Musik könnte dagegen in ihrer sinnlichen Unmittelbarkeit eine wichtige Stimme zumutender Offenbarung sein [...]"
Ich stimme Professor Eham in seiner Einschätzung der beiden Gefahren für die Liturgie vollkommen zu, schon die folgenden Sätze lassen mich aber einigermaßen ratlos zurück. Wie kann man Jesus gegen den Christus ausspielen? Oder anders gefragt: welche liturgischen Auswirkungen sollte eine Fokussierung auf Jesus im Gegensatz zum Christus mit sich bringen? Ich hege hier den Verdacht der theologisierenden Wortklauberei ganz in der Schule Karl Rahners, der so gelehrt klingt, weil ihn niemand versteht, und in dessen monströsen Satzungeheuern oft erstaunlich wenig Substanz übrigbleibt, wenn man sich die Mühe macht, sie aus den Phrasen herauszuklopfen.

Mit einem großen Sprung komme ich an das Ende des Vortrages, Punkt VI.: Finale. Hier formuliert Markus Eham sechs Folgerungen für die Musik in der Liturgie heute. Der ersten beiden Punkte lauten:
  • Alle Formen und Stile qualitätvoller Musik sind zugelassen (SC 121). Das Geistliche in der Musik zeigt sich nicht in speziellen katholischen Akkordverbindungen, sondern in einem geistlichen Auffassen von Musik, gleich welchen Stils. Wir sollten den ganzen Reichtum der musikalischen Überlieferung in ihren qualitätvollen Stücken in das gottesdienstliche Leben einbringen. Dabei auch die tradierte Musik so interpretieren, dass sie uns immer neu zum Klingen kommt. Das am meisten Reformbedürftige sind die Gewohnheiten der Menschen, sagt Mark Twain; das gilt auch für die Hörgewohnheiten.
  • Der Bekennerruf "Mut zur neuen Musik" in der Kirche ist kein Plädoyer für billige Anbiederung an den Zeitgeschmack nach dem Motto: "Wir können auch Synkope und Major-Akkord!" Nach dem bisher Gesagten müsste diese Verwechslung eigentlich ausgeschlossen sein. [...] Damals wie heute heißt es also, daran zu arbeiten, dass die Menschen unterschiedlicher Milieus eine Chance haben, mit der Botschaft des Glaubens in ihrer eigenen Sprache in Berührung zu kommen: Wirklich eingehen auf die Menschen von heute, ohne aufzugehen in der Weltlichkeit von heute. [...]
Auch zu den anderen Schlussfolgerungen wäre noch etwas zu sagen, aber ich greife exemplarisch diese Aussagen auf. Zum einen kommen wir hier erneut an einen bemerkenswerten Widerspruch innerhalb dieses Vortrags. Wurde oben noch ein Rückzug der Kirche auf das "Eigene" beklagt, wird hier gefordert, nicht in der Weltlichkeit von heute aufzugehen. Das ist natürlich das Gleiche mit anderen Worten: offenbar bemerkt Eham das nicht. Die prinzipielle Skepsis vor der vorkonziliaren Zeit (immerhin ungefähr 1900 Jahre Kirchengeschichte...), die den gesamten Vortrag durchzieht, verstellt ihm erkennbar den Blick darauf.

Richtig ist die Aussage, dass keine Stilrichtung per se aus der liturgischen Verwendbarkeit ausgenommen ist. Doch ist das kein Freibrief für Experimente jeglicher Art im Gottesdienst: sowohl Sacrosantum Concilium als auch Musicam Sacram (und zahlreiche weitere, nachkonziliare Schreiben) fordern unmissverständlich die Föderung und Pflege der Gregorianik, und erheben eben nicht die Form, sondern die einzigartige Wort-Ton-Verbindung und Zitattreue zum kirchenmusikalischen Idealbild. In einer Antwort auf einen Offenen Brief an Professor Olivier Bauer schreibt der damalige Kardinal Joseph Ratzinger:
"Sie haben unter 2c sehr sorgsam und genau meine wesentlichen Aussagen zur sakralen Musik wiedergegeben und dann am Schluss kritische Bemerkungen angeknüpft. Ich gestehe, dass ich Mühe habe, diese Fragen zu verstehen, denn weder habe ich einfach einen retour zur Gregorianik gefordert, noch habe ich bestritten, dass der Geist auch heute Komponisten und Musiker inspirieren kann. Ganz im Gegenteil sage ich [...]: 'Wer aufmerksam zusieht, wird wahrscheinlich annehmen, dass gerade auch in unserer Zeit aus den Inspirationen des Glaubens heraus bedeutende Kunstwerke sowohl im Bereich des Bilds wie im Bereich der Musik (und im Bereich der Literatur) enstanden sind und entstehen. Auch heute ist die Freude an Gott und die Berührung mit seiner Gegenwart in der Liturgie eine unerschöpfliche Macht der Inspiration. Die Künstle, die sich diesem Auftrag unterwerfen, brauchen sich wahrhaftig nicht als Nachhut der Kultur zu verstehen [...]'. Nicht Rückkehr zur Vergangenheit fordere ich, sondern Maßnehmen an den großen Grundsätzen der Grundgestalt liturgischer Kunst [...]"
Dieses Zitat zeigt das Grundproblem des Aussagen Professor Ehams sehr gut: die Angst davor, sich demütig in eine Tradition zu stellen - und die eigenen Werke an den Vorbildern der Vergangenheit messen zu lassen. Werke, die gemeinhin Sacro-Pop, Neues Geistliches Lied oder ähnlich genannt werden, auch die Gesänge aus Taizé, wären auf diesem Hintergrund gar nicht denkbar. Leider gerät Eham auch mit seiner Aussage im sechsten Punkt "Im Gottesdienst geht es um das, was wir nicht erwarten, sondern nur hoffen können" aufs Glatteis: dank der Verheißung Christi wissen wir sehr genau, was uns im Gottesdienst erwartet, und worauf wir für die Zukunft hoffen. Genau dieses Moment wird ja im Gesang des Sanctus ganz deutlich!

Insgesamt ein eher schwacher Vortrag, der vor allem an dem für die nachkonziliare Theologie typischen Herumgeeiere um die Tradition krankt. Überdeutlich wird hier ein Bruch festgeschrieben, der theologisch - allerdings noch nicht praktisch - längst geheilt ist, und nur noch der Verbesserung und Ausfüllung harrt. Die von Professor Eham propagierte theologische Denkweise ist nicht mehr zukunftsfähig und ist gefangen im Um-Sich-Selbst-Kreisen eines an die Grenzen geratenen Modernismus. Man darf sich durch gelegentliche Zugeständnisse an eher konservative Hörer dieses Vortrages nicht über die wahre Geisteshaltung täuschen lassen.
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¹) Alfons Maria Kardinal Stickler am 20. Mai 1995, Christi Fidelis conference in Fort Lee, New Jersey, ein ausführlicher Bericht in: Catholic Family News, July 1995, Fatima Crusader, June/July 1989

Antisemitismus in den Improperien?

Zugegeben, es ist nicht ganz die passende Zeit, wenige Wochen vor dem Advent noch einmal auf den Karfreitag zurückzugreifen. Aber manche Themen sind eben ein Dauerbrenner. Vor allem die Diskussion um die katholische Kirche und ihren vermeintlichen Antisemitismus, die von gewissen Interessengruppen nur zu gerne lebendig gehalten wird.

Als Kirchenmusiker ist es mir eine Ehre und eine große Freude, das liturgische Jahr in meinen Dienstgemeinden angemessen mitgestalten zu können, und durch die Musik manches zu be-tonen, was mit dem bloßen Wort alleine möglicherweise nicht ausreichend gesagt werden kann.

Jedes Jahr liegt mir allerdings schon Wochen vor dem Karfreitag ein Gesang quer, der die Osterfreude etwas trübt. Nein, nicht der Gesang an sich, sondern vielmehr die unvermeidliche Diskussion darüber, die wie bestellt entweder am Gründonnerstag losbricht oder den Kantor direkt nach der Karfreitagsliturgie heimsucht. Die Rede ist von den Improperien.

Die Improperien, lat. Vorwürfe, Klagen, sind Worte, die im Wechselgesang aus Ereignissen des Alten Testaments und des Leidensweges Christi, gewissermaßen analog dem späteren Kreuzweg, zusammengestellt, dem Heiland am Kreuz in den Mund gelegt werden. Ihr Ursprung liegt vermutlich in der mozarabischen Liturgie. Sie werden auf eine sehr alte, gregorianische Melodie gesungen, die jedoch erst 1474 in das Römische Missale aufgenommen wird. Eine Ausnahme bildet die Liturgie der Sixtinischen Kapelle, wo sie seit 1560 in einer Fauxbourdon-Bearbeitung von Giovanni Pierluigi da Palestrina gesungen werden. Die bei uns übliche eingedeutschte Gotteslob-Fassung (GL 206) ist der gregorianischen gegenüber stark - und nicht ganz unproblematisch - verkürzt.


Die Übertragung des lateinischen Textes lautet:

Mein Volk, was habe ich dir getan,
womit nur habe ich dich betrübt?
Antworte mir.

Aus der Knechtschaft Ägyptens habe ich dich herausgeführt.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.
Heiliger Gott.
Heiliger, starker Gott.
Heiliger, starker, unsterblicher Gott, erbarme dich unser.
Vierzig Jahre habe ich dich geleitet durch die Wüste.
Ich habe dich mit Manna gespeist
und dich hineingeführt in das Land der Verheißung.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.

Was hätte ich dir mehr tun sollen und tat es nicht?
Als meinen erlesenen Weinberg pflanzte ich dich,
du aber brachtest mir bittere Trauben,
du hast mich in meinem Durst mit Essig getränkt
und mit der Lanze deinem Erlöser die Seite durchstoßen.

Deinetwegen habe ich Ägypten geschlagen
und seine Erstgeburt,
du aber hast mich geschlagen und dem Tod überliefert.
  • A:Mein Volk...

Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt
und den Pharao versinken lassen im Roten Meer,
du aber hast mich den Hohenpriestern überliefert.
  • A: Mein Volk ...

Ich habe vor dir einen Weg durch das Meer gebahnt,
du aber hast mit der Lanze meine Seite geöffnet.
  • A: Mein Volk ...

In einer Wolkensäule bin ich dir vorangezogen,
du aber hast mich vor den Richterstuhl des Pilatus geführt.
  • A: Mein Volk ...

Ich habe dich in der Wüste mit Manna gespeist,
du aber hast mich ins Gesicht geschlagen
und mich gegeißelt.
  • A: Mein Volk ...

Ich habe dir Wasser aus dem Felsen zu trinken gegeben und dich gerettet,
du aber hast mich getränkt mit Galle und Essig.
  • A: Mein Volk ...

Deinetwegen habe ich die Könige Kanaans geschlagen,
du aber schlugst mir mit einem Rohr auf mein Haupt.
  • A: Mein Volk ...

Ich habe dir ein Königszepter in die Hand gegeben,
du aber hast mich gekrönt mit einer Krone von Dornen.
  • A: Mein Volk ...

Ich habe dich erhöht und ausgestattet mit großer Kraft,
du aber erhöhtest mich am Holz des Kreuzes.
  • A: Mein Volk ...


Auf dem ersten Blick ist durchaus eine antisemitische Interpretation möglich, und es soll nicht verschwiegen werden, dass es im Laufe der Kirchengeschichte durchaus zu einer solchen "Eisegese" gekommen ist. Verständlich, dass auf diesem und dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte ein gewisses Unbehagen bei der Betrachtung dieses Textes entsteht. Ein Mitglied einer Schola, die ich vor Jahren geleitet habe, verweigerte sich sehr engagiert mit dem Hinweis auf ein Benediktinerinnenkloster, dass diesen Gesang vollkommen abgeschafft habe, da die antisemitischen Töne in der Liturgie "überholt" seien.

Nun kann man diesen Schwestern sicherlich einen guten Willen attestieren - aber einen verheerenden Mangel an theologischer Kenntnis gleich dazu. Wer diesen Gesang beurteilen will, darf nicht am Karfreitag stehenbleiben, sondern muss das gesamte Heilswerk Christi, besonders aber die Tage vom Palmsonntag bis über die Auferstehung hinaus bedenken.

Sind die Improperien ein Vorwurf an die Synagoge? Oder gar an die heute lebenden Juden? Absolut nicht! Wer Ostern feiern will, muss sich vergegenwärtigen, warum Jesus den Sühnetod auf sich genommen hat. Die Lehre vom Sühnetod Christi geht auf Paulus zurück, wird dann aber zunächst von Augustinus vertieft, der die Lehre von der Erbsünde entwickelt:

Adam, als Urvater der Menschheit hat sich durch die Sünde von Gott abgewendet. Seitdem steht die Sünde zwischen Gott und den Menschen. Man kann sagen, dass Sünde die bewusste Abwendung von einem höheren Gut, vom Schöpfer, ist, hin zum niederen Gut, dem Geschaffenen. Der Tanz um das Goldene Kalb wird im Alten Testament dann ganz deutlich zum Symbol dieser Tendenz. Um die Schuld der Menschheit zu sühnen, muss Gott seinen eigenen Sohn als Opfer darbringen, denn die Menschheit wäre nicht in der Lage, die Last ihrer Sünden alleine zu tragen. Diese zunächst recht schwierige "Satisfaktionslehre" wird von Anselm von Canterbury detailliert entwickelt. Wir durften jüngst erleben, dass sogar der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz seine liebe Not hatte, den Tod Christi zu erklären. Es handelte sich eben nicht einfach um ein "solidarisches" Sterben "mit uns", sondern um ein Sterben "für uns". Ein gewaltiger Unterschied! Schlimm, dass Bischöfe offensichtlich nicht mehr in der Lage sind, die einfachsten Grundlagen unseres Glaubens zu erklären.

Wenn wir also diesen Hintergrund berücksichtigen, und bedenken welche Texte die Liturgie der Osternacht prägen, muss uns einsichtig werden, dass mit "meinem Volk" keinesfalls die damals oder heute lebenden Juden gemeint waren. Sondern wir alle sind gemeint.

Besonders deutlich wird das, wenn wir die Improperien mit den alttestamentlichen Texten der Osternacht und den Antwortpsalmen gewissermaßen gegenlesen¹: "Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du!" - "Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher; Du hältst mein Los in deine Händen." - "Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hocherhaben" - "Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde nicht über mich triumphieren."

Die Psalmen sprechen nicht in der Man-Form, sondern ich selbst stehe vor dem Herrn und danke ihm für seine Güte. Die Kirche singt mit Christus das Lob des ewigen Gottes. Direkt vor dem Tagesgebet wird dann der Bogen geschlagen zwischen den Heilstaten Gottes im Alten Testament, dem Opfer Christi und damit der Erfüllung der Verheißung im Neuen Testament. Gleichzeitig bietet sich dieses Gebet auch an als Zusammenfassung meiner vorhergehenden Ausführungen:
Herr, unser Gott, durch die Schriften des Alten und des Neuen Bundes führst du uns ein in das Geheimnis dieser heiligen Nacht. Öffne unsere Augen für das Werk deines Erbarmens und schenk uns durch die Gnade dieser Osternacht die feste Zuversicht, dass auch unser Leben in deiner Herrlichkeit vollendet wird.
Die Klagen des Heilandes am Kreuz sind also nicht nur an das Volk Israel oder die Juden allgemein gerichtet, sondern sie stehen ganz in der Tradition der Propheten, die das Volk angesichts der Heilstaten Gottes zu Umkehr und Buße mahnt (vgl. z. B. Micha 6 oder Jesaja 5). Einen weiteren Beleg dafür finden wir im Passionslied "O Haupt, voll Blut und Wunden" (GL 179, 4 u. 5), wo die ganze Frage nach Sünde, Sühne und Erlösung zum Ausdruck kommt:
Was du, Herr, hast erduldet, ist alles meine Last.
Ich, ich hab es verschuldet, was du ertragen hast. [...]

Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen, da du's so gut gemeint.

Wer also in einem Anfall von political correctness in den Improperien Antisemitismus verortet, ist auf einem ausgesprochenem Holzweg. Ja, es liegt sogar die Gefahr nahe, durch eine Schuldzuweisung an die Juden sich gewissermaßen selbst auf dem bequemsten Weg freizusprechen. Das Heilwerk Christi kann nur feiern, wer sich seines eigenen Versagens vor Gott bewusst ist; zu verstehen versucht, welche Liebestat seine Hingabe am Kreuz war, die den ewigen Tod für immer besiegt hat. Die Improperien sind dazu ein Aufruf an mich persönlich. Und an jeden von uns!

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¹) Textauszüge als Beispiel, hier Lesejahr A

11. November 2009

Über den liturgischen Tanz

Nicht auszurotten ist die Diskussion um den Tanz im Gottesdienst, die leider durch die andauernden liturgischen Missbräuche im Pontifikat Johannes Pauls II. stetigen Auftrieb erfahren haben. 1975 gab die römische Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ein Dokument unter dem Titel "Liturgischer Tanz" heraus, in dem sie klarstellte:
Tanz kann in keiner Form zum Bestandteil liturgischer Feiern gemacht werden. Damit würde ein extrem unheiliges und entheiligendes Element in die Liturgie eingeführt, und das würde eine profane Atmosphäre schaffen, die alle Teilnehmer und Anwesenden an weltliche Orte und Situationen erinnern müsste.
Im Jahr 1998 forderte die gleiche Kongregation den Bischof von Honolulu auf, Hula-Tänze in liturgischen Zusammenhängen zu verbieten, die auf Hawaii längst in die Liturgie eingedrungen waren. Doch als Johannes Paul 1995 zur Seligsprechung von Pater Damien DeVeuster, des Berühmten Heiligen der Leprakranken von Hawaii, nach Brüssel reiste, wurde an zentraler Stelle der Zeremonie ein Hula-Tanz aufgeführt.

Im Jahr 2002 weilte Johannes Paul II. in Mexiko zur Seligsprechung zweier Märtyrer aus dem Maya-Volk. Bei dieser Gelegenheit intergrierte der päpstliche Zeremoniar Erzbischof Piero Marini diverse Tänze in die Liturgie. Zum Abschluss wurde eine Art Reinigungszeremonie names "Limpia" durchgeführt, bei der die Tänzerinnen mit Weihrauchschalen auftraten und den Papst sowie weitere anwesende Kardinäle und Bischöfe mit Kräutern bestreuten. Dieses Ritual dient der Heilung physischer und psychischer Krankheiten durch Austreibung böser Geister. Genau genommen wurde der Papst also vor den Augen der Öffentlichkeit in einem heidnischen Ritual exorziert. Verständlicherweise gab es hinterher scharfen Protest sowohl aus mexikanischen als auch vatikanischen Kreisen. Erzbischof Marini sah freilich keinen Grund, seine fragwürdige Inkulturationspolitik zu ändern.

Die Übernahme fremder Elemente in die Liturgie der Kirche hat zwar eine Tradition, die bis in die Urkirche zurückreicht. Allerdings wurde hier immer vorsichtig und mit Augenmaß vorgegangen. Die knappen Beispiele oben zeigen, dass man im Umgang mit fremden Riten gar nicht vorsichtig genug sein kann.

Kommen wir nun zum Tanz in der Liturgie, besonders in der Heiligen Messe. Diese Frage war ein ständiger Streitpunkt zwischen Johannes Paul II. und dem damaligen Glaubenspräfekten Joseph Kardinal Ratzinger, wie dieser offen eingestand. Ratzinger schrieb in seinem Buch "Der Geist der Liturgie" über den Tanz folgendes:
Der Tanz ist keine Ausdrucksform christlicher Liturgie. Gnostisch-doketische Kreise haben ihn etwa im 3. Jahrhundert in die Liturgie einzuführen versucht. Für sie war die Kreuzigung nur Schein: Christus hatten den von ihm nie wirklich angenommenen Leib vor der Passion verlassen, und so konnte an die Stelle der Kreuzesliturgie der Tanz treten, weil ja das Kreuz nur Schein gewesen war. Die kultischen Tänze der verschiedenen Religionen haben unterschiedliche Richtungen - Beschwörungen, Analogiezauber, mystische Ekstase -; keine dieser Gestalten entspricht der inneren Richtung der Liturgie des "worthaften" Opfers.

Vollkommen widersinnig ist es, wenn bei dem Versuch, die Liturgie "attraktiv" zu gestalten, Tanzpantomimen - womöglich von professionellen Tanzgruppen - eingelegt werden, die dann häufig (von ihrer Anlage her zurecht) in Beifall münden.

Wo immer Beifall für menschliches Machen in der Liturgie aufbricht, ist dies ein sicheres Zeichen, dass man das Wesen der Liturgie gänzlich verloren und sie durch eine Art religiös gemeinter Unterhaltung ersetzt hat. Solche Attraktivität hält nicht lange; auf dem Markt der Freizeitangebote, der zunehmend Formen des Religiösen als Kitzel einbezieht, ist die Konkurrenz nicht zu bestehen.

Ich habe erlebt, wie man den Bußakt durch eine Tanzdarstellung ersetzte, die selbstverständlich großen Beifall fand; könnte man sich von dem, was Buße wirklich ist, weiter entfernen? Liturgie kann nur dann Menschen anziehen, wenn sie nicht auf sich selber schaut, sondern auf Gott; wenn sie ihn eintreten und handeln lässt.
Dania Marco schreibt in dem Buch "La danza sacra nella chiesa" (Rom, 2000) über die Ausbreitung des liturgischen Tanzes gerade aus pfingstlerischen, protestantischen Kreisen in die Liturgie der katholischen Kirche (ich übernehme eine Übersetzung Heinz-Lothar Barths):
Diese Erfahrungen bringen jedoch das Risiko mit sich, die sakramentale Dimension des Glaubens aus dem Blick zu verlieren, lassen einen gewissen Narzismus erkennen und sind die Frucht eines solipsistischen (auf sich selbst fixierten) Verhaltens.
Obwohl die Ablehnung des Tanzes in der Liturgie durch die Kirche klar ist, und die Gefährlichkeit des unreflektierten und eigenmächtigen Einfügens fremder Elemente in die Liturgie nachgewiesen ist, bieten zahlreiche katholische Bildungshäuser und andere Kursanbieter nach wie vor Ausbildungen für liturgischen Tanz an. Übrigens verdreht auch Dania Marco die Quellen nach belieben oder ignoriert vorangeganene kirchliche Verurteilungen. Ihr Buch ist leider ein typischer Spiegel der nachkonziliaren Tendenz, alles, was vor dem II. Vatikanischen Konzil war als überholt zu sehen und einschlägige Dokumente einfach zu ignorieren.

Interessant ist nun eine Beobachtung des Zielpublikums, sowie derer, die in den Gemeinden liturgischen Tanz einführen wollen. Die notorisch unkirchlich agierende Katholische Frauengemeinschaft (KFD) erwähne ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst. Wer von jeglichen "modernen" Anwandlungen in Schocktherapie geheilt werden möchte, besuche einmal den Gottesdienst zum "Weltgebetstag der Frauen". Alberner kann öffentliches "Gruppenkuscheln" kaum noch ausfallen...

Durch eigene Beobachtung und zahlreiche Gespräche mit Kollegen aus Kirchenmusik und Theologie ergibt sich für mich das Bild, dass der Wunsch nach stärkerem körperlichen Ausdruck in der Messe aus immer der gleichen Richtung kommt: Feministische Strömungen, Esoterik sowie der umsichgreifende Kult um fernöstliche Religionen wie Buddhismus, Hinduismus und Yoga. Gerade letzteres, oft als Gymnastik verkannt, kann sehr gefährlich sein, denn das dahinterstehende Welt- und Menschenbild ist mit dem katholischen Glauben absolut nicht vereinbar. Zu dieser unterschätzten Gefahr wäre manches zu sagen, was allerdings nicht zur Thematik dieses Blogs gehört.

Ein Blick ins Internet gibt Interessantes preis. Auf der Homepage der "Christlichen AG Tanz e. V." findet man als Tagesimpuls:
Ich verlange vom Tanz – mehr als von allen anderen Künsten – dass er das Göttliche im Menschen enthülle.
Das Zitat stammt von Murshida Kamae A. Miller, einer schottischen Vertreterin des Sufismus. In einer Kursbeschreibung des Hauses Klara Oberzell heißt es:
"Liturgischer Tanz" - dieser Begriff meint vor allem Tanz auf NEUE GEISTLICHE LIEDER. Er hat jedoch seinen Platz nicht nur im liturgischen Zusammenhang, sondern überall da, wo es Menschen ein Bedürfnis ist, ihre Lebenssituationen und Glaubensvorstellungen mit der Sprache ihres ganzen Körpers zum Ausdruck zu bringen.
Es könnten noch deutlich mehr Quellen angebracht werden, aber schon in diesen zwei Zitaten findet man das Kreisen des Menschen um sich selbst deutlich bestätigt. Im letzten Zitat wird ja gar nicht erst behauptet, dass es darum gehe, den Glauben der Kirche ("ganzheitlich" - um ein modernes Schlagwort zu gebrauchen) erlebbar zu machen, sondern es geht um das körperliche Ausleben eigener, subjektiver Glaubensvorstellungen.

Gerne wird aus diesen Kreisen der Einwand gebracht, auch die Bibel kenne sakralen Tanz. König David sei vor der Bundeslade getanzt. Wir sollten die entsprechenden Perikopen aber genau anschauen. Zunächst finden wir die Szenerie im 2. Buch Samuel um Vers 5:
Sie stellten die Lade Gottes auf einen neuen Wagen und holten sie so vom Haus Abinadabs, das auf einem Hügel stand; Usa und Achjo, die Söhne Abinadabs, lenkten den neuen Wagen [sie holten sie also aus dem Haus Abinadabs, das auf dem Hügel stand,] mit der Lade Gottes und Achjo ging vor der Lade her. David und das ganze Haus Israel tanzten und sangen vor dem Herrn mit ganzer Hingabe und spielten auf Zithern, Harfen und Pauken, mit Rasseln und Zimbeln.
Etwas später heißt es dann an gleicher Stelle:
Als man König David berichtete: Der Herr hat das Haus Obed-Edoms und alles, was ihm gehört, um der Lade Gottes willen gesegnet, da ging David hin und brachte die Lade Gottes voll Freude aus dem Haus Obed-Edoms in die Davidstadt hinauf. Sobald die Träger der Lade des Herrn sechs Schritte gegangen waren, opferte er einen Stier und ein Mastkalb. Und David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her und trug dabei das leinene Efod.
Deutlich ist hier zu sehen, dass es sich um eine persönliche Gefühlsregung in einem außerordentlichen Moment handelt. Weder haben wir es hier mit einer kultischen Handlung im eigentlichen Sinne zu tun, noch gibt es irgendwelche Berichte, dass Davids Tanz in den altjüdischen Tempelkult aufgenommen worden wäre.

Der liturgische Tanz ist kein Element der christlichen Liturgie. Jeder, der mit der Forderung nach Tanz im Gottesdienst konfrontiert wird, sollte die kirchliche Meinung zu diesem Thema kennen, und sich vor allem den Hintergrund und die Beweggründe der Fordernden genau anschauen. Allzuschnell entlarven sich die Vertreter des liturgischen Tanzes selbst - und oft genug ist der Wunsch nach Tanz der Türöffner für weitere subjektive Wünsche. Die Liturgie ist kein Bausteinkasten, aus dem man nach belieben auswählen kann (auch, wenn leider sogar das Messbuch seit dem Konzil diesen Eindruck an vielen Stellen erweckt).
Laßt das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. - Apostel Paulus, Brief an die Kolosser